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Rückblicke
gemeinsam klettern - gemeinsam wandern

DAV Würzburg

 Blindes Vertrauen DAV bietet Kletterkurse für Menschen mit Sehbehinderung an

Die blaue Augenbinde wird zurecht gezupft, dann tritt Julia einen Schritt vor und ertastet den ersten farbigen Klettergriff an der 14 Meter hohen, vor ihr aufragenden Kletterwand. Direkt neben ihr aufmunternde Wort von Trainer Roland Zschorn: "Hoch geht's. Mit der Augenbinde ist es leichter, wenn man Respekt vor der Höhe hat." Julia ist eine von insgesamt fünf Teilnehmern eines Kletterkurses des Deutschen Alpenvereins für Menschen mit Sehbehinderung. Als einzige ist sie sehend. Dabei ist sie nur, weil im anderen Kurs kein Platz mehr war. Direkt neben ihr gleitet Markus an seinem Seil von oben herunter. Seine Griffe wirken routiniert, locker hängt er im Gurt. Dass der junge Mann nur zehn bis 15 Prozent Sehkraft auf beiden Augen hat, ist ihm nicht anzumerken. "Ich muss den Kopf halt so weit nach links oder rechts drehen, dass die Dinge ins Blickfeld kommen. Das ist aber kein Problem." Höhenangst entstehe im Kopf, erklärt Roland Zschorn.

Während Julia sich behutsam an der Wand hocharbeitet, sind die restlichen drei Teilnehmerinnen bereits voll vom Höhenflug infiziert und hören konzentriert einer zierlichen jungen Frau zu. Mona ist in Trainerausbildung. Lächelnd zeigt sie die korrekte Sicherung des Seils, gleitet dabei mit den Händen über das dicke rote Seil, teils tastend mit den eigenen Händen folgen die Teilnehmerinnen Monas Erklärungen: "Klettern ist mein Mittel gegen alles, es funktioniert gegen Stress, schlechte Laune, es ist mein Allheilmittel." Die 23-Jährige studiert Psychologie in Würzburg, mehrmals in der Woche nutzt sie die DAV-Halle im Stadtteil Zellerau als Ausgleich, im Herbst wird sie ihre Trainerlizenz erwerben. Mit ihrer Leidenschaft möchte Mona besonders Menschen mit körperlichen Einschränkungen für den Sport begeistern. Roland Zschorn blickt auf einen Schützling: "Mona ist fürs Klettern wie gemacht und sie hat einen Riesenspaß daran, es anderen zu vermitteln."
In diesem Kurs, den Zschorn als Trainer im DAV seit April anbietet, ist besonderes Fingerspitzengefühl gefragt. "Ich bin beim Klettern immer nah an den Teilnehmern dran, muss sie anfassen, wenn ich ihnen helfe. Für uns als Trainer ist da die Offenheit und der gegenseitige Respekt sehr wichtig, auch das vermitteln wir im Kurs." Klettern sei weder eine Frage des Alters noch sei Blindheit oder eingeschränktes Sehen wie in diesem Teilnehmerkreis ein Hindernis. Der 63-jährige Trainer bildet seit Jahrzehnten im DAV und anderen Institutionen aus, im Winter ist der ehemalige Berufssoldat nach wie vor als Ski - und Hochtourenführer in den Bergen unterwegs. Es brauche beim Klettern viel Vertrauen, das wolle er den Teilnehmenden vermitteln. Über die Verlässlichkeit und das Zusammenspiel, in dieser Truppe freut er sich. Gerade auch für Menschen mit körperlichen Einschränkungen und Senioren hält der DAV mit seinen rund 10 000 Mitgliedern in der Würzburger Sektion diverse Bergsportarten - vom Wandern bis zu Hochtouren - bereit.

Den Kursteilnehmern werden hier nun die Grundlagen des Kletterns vermittelt. Markus und seine Kletterpartnerin Emily hatten im vergangenen Herbst mit dem Klettern begonnen und waren schon häufiger im Freien gemeinsam unterwegs. "Das Sichern des Kletterpartners, das korrekte Vorgehen in den Techniken - alles wird hier vermittelt und gefestigt", schildert Roland Zschorn. Ihre Sehbehinderung sehen Markus und Emilie beispielsweise mehr als Herausforderung, denn als Hindernis fürs Klettern. Es sei noch einmal ein anderes Austesten der eigenen Grenzen. Auch da sind sie sich einig. Die 45-jährige Alke ist ohne Vorerfahrung gekommen. Ihre noch vorhandene Sehkraft ist verschwindend gering. Aber klettern wollte sie immer schon, hatte bisher nur nie die Möglichkeit. Ihre kommende völlige Erblindung sieht sie dabei nicht als Hindernis. "Ich hatte viele Jahrzehnte, mich mit der Krankheit zu arrangieren und aufs Blindsein vorzubereiten. Aber klettern wollte ich schon immer und das geht auch ohne zu sehen." Gemeinsam mit anderen Absolventen des Berufsförderungswerk Würzburg nutzt sie nun die Chance; alle haben sich dort vor Monaten kennengelernt. Emilie und Markus freuen sich an diesem regnerischen Sommerabend darauf, bald wieder draußen im Fels unterwegs sein zu können; mit den neu erlernten Fähigkeiten. Roland Zschorn gibt der Rückenwind für seine Arbeit. "Durch unsere Kompetenz vermitteln wir den Teilnehmenden unserer Bergsport-Kurse Fähigkeiten, um sicher am Berg unterwegs zu sein." Ganz gleich, welchen Alters oder ob mit körperlichen Einschränkungen.
Julia* ist mit verbundenen Augen oben an der Kletterwand angekommen. In 14 Metern Höhe schaut sie vorsichtig unter ihrer Augenbinde hervor und lächelt.




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